Eine Geschichte zum Erntedank
„Ich will nicht in der Suppe landen und auch nicht als ausgehöhlte Fratze vor einer Haustür stehen. Ich bin zu etwas Besserem bestimmt!“, dachte sich der dicke Kürbis und rüttelte am Blattgrün, das ihn im Kürbisbeet festhielt. Er wollte sich auf den Weg machen, die Welt zu sehen, doch er konnte sich einfach nicht lösen und das ärgerte ihn sehr.
„Kann mir vielleicht mal jemand helfen“, rief er laut.
Es tat sich aber nichts, entweder hörte ihn niemand oder es verstand ihn keiner.
Als er schon fast aufgeben wollte, kam doch noch Hilfe. Benno, der Familienhund hatte die Rufe gehört und schaute jetzt nach dem Kürbis.
„Hey du, hilf mir mal, ich will hier weg und mir die Welt anschauen!“, rief der dicke Kürbis.
„Wie soll ich das machen?“, fragte Benno, der noch nie mit einem Gemüse geplaudert hatte und sich wunderte.
„Ganz einfach, du hast doch Zähne! Beiß das Laub durch, damit ich losrollen kann!“, ordnete der Kürbis an und wartete.
„Nee“, sagte Benno, „das mache ich nicht, denn dann gibt es Ärger.“
„Feigling!“ Der Kürbis war verärgert. So ein blöder Hund.
Benno wollte nicht als Feigling dastehen. Deshalb machte er sich doch an dem Grün zu schaffen. Es dauerte nicht lange, da hatte er den dicken Kürbis befreit.
Der rollte auch sofort los, raus aus dem Beet, den Weg entlang und dann durch die Gartenpforte.
„Soll ich nach links oder nach rechts?“, fragte sich der Kürbis, entschied sich dann nach rechts zu rollen, weil er sah, dass die Straße nach unten ins Dorf führte.
„Dann muss ich mich nicht so anstrengen und kann gemütlich hinunter kullern!“, rief er vergnügt und schon ging es los.
Hui, war das spannend! Und wie schnell das ging! Immer schneller rollte er die Straße hinab, so dass ihm schon ganz schwindelig wurde. Plötzlich gab es einen Ruck und die rasante Fahrt war beendet. Der Kürbis war mitten in einen Gemüsestand auf dem Marktplatz gerollt und da lag er jetzt und konnte sich nicht mehr rühren.
„Ein Wunder!“, riefen die Leute. „Wo kommt denn nur der Kürbis her, der war doch eben noch nicht da.“
„Willkommen, Dicker!“, riefen die anderen Kürbisse, die auf dem Marktstand ausgestellt waren und auf Käufer warteten.
„Wir dachten schon, dass du gar nicht mehr kommst“, ulkten sie und kicherten.
Der dicke Kürbis fühlte sich gar nicht wohl in seiner Haut und wünschte sich zurück in sein Gartenbeet. Doch das ging leider nicht, denn schon hatte man ihn auf den Marktstand gehoben und dort wurde er bestaunt von den Menschen, die so einen dicken Kürbis lange nicht mehr gesehen hatten.
„Für eine Suppe ist er zu dick und als Halloween-Laterne ebenfalls. Vielleicht könnte man ihn süß-sauer einkochen.“
„Ich habe eine bessere Idee“, rief eine alte Dame. „Wir spenden ihn für das Erntefest am Sonntag. Das ist angemessen und er wird sich dort wunderbar als Dekoration machen.“
Der Kürbis wusste nicht, was das Wort Dekoration bedeutete, aber es klang gut und mit essen und aushöhlen hatte es wohl nichts zu tun.
Stolz stand er am Sonntag auf seinem Platz in der Festhalle und ließ sich bestaunen und bewundern. Wo er anschließend geblieben ist, das weiß ich nicht. Aber er hatte einen wunderbaren Tag mit viel Musik und Aufmerksamkeit. Das ist doch was!
© Regina Meier zu Verl